Endless Story

Wie es begann….

Wir müssen miteinander reden!”, hatte er gesagt. Er hatte gefasst gewirkt. “Ich habe keine Lust mit dir zu reden!”, hatte sie geantwortet. “Hab dich nicht so. Wir haben früher auch sehr viel miteinander geredet. Ich weiß, es war schwierig in der letzten Zeit …”, er seufzte. “Gib dir einen Ruck. Es ist nur doch nur noch dieses eine Mal, versprochen.”, er hielt dem Atem an und wartete auf ihre Antwort. Innerlich erwartete er ein “Nein” und suchte schon emsig nach dem Argument, welches sie definitiv nicht ausschlagen könne. Doch, zu seinem Erstaunen hörte er sie etwas Zustimmendes nuscheln. “Du hast gewonnen!”, sagte sie etwas deutlicher und scheinbar diesmal auch für seine Ohren bestimmt. “Ich werde dich heute Abend erwarten.” Sie legte auf und er sah den Telefonhörer verwundert an. Sie hatte aufgelegt ohne sich zu verabschieden. Eigentlich war dies nicht ihre Art. Doch in der letzten Zeit war alles wunderlich, warum nicht auch das …

Und wie es weiter ging …


Kapitel II, Vizekönigin:

“Hab dich nicht so?!? Hatte er wirklich “HAB DICH NICHT SO” gesagt?“

Sie lächelte, mixte sich einen Drink und rief ihren besten Freund, den rosa Moritz an. Warum der rosa Moritz, der eigentlich Stefan hieß, von allen rosa Moritz genannt wurde, wusste eigentlich niemand. Er hatte sich damals so vorgestellt und niemand hat es hinterfragt. Er nahm ab.

“Ja, rosa Moritz hier?”

“Hallo Moritz, ich bin es. Er will mit mir reden. Es geht los.”

“Super, Liebelein. Ich bereite alles vor.”

“Du denkst an dieses Ding, was du damals aus deinem Urlaub in Togo mitgebracht hast?”

“Selbstverständlich.”

“Und du bist dir sicher, dass es funktionieren wird?”

“Ja, ganz sicher. Hat schon einmal irgendetwas nicht funktioniert, was ich angefangen habe?”

Sie dachte nach. Doch, eigentlich hat die ganze Sache mit ihm nicht funktioniert, da hatte der rosa Moritz aber auch im Nachhinein festgestellt, dass die peruanische Suppe, die er ihm gekocht hatte, wohl nur bei Südperuanern wirkt. Vorher wusste er das angeblich nicht. Aber das wollte sie jetzt nicht wieder durchdiskutieren, schließlich hatte der rosa Moritz für ihr aktuelles Problem auch eine Lösung.

“Du hast Recht. Dann komm schnell vorbei, er ist in ein paar Stunden da.”

Sie legten auf.


Kapitel III, Blabbermouth:

Chris hatte lange versucht, sie zu diesem Gespräch zu drängen – immer wieder lagen ihm die Worte auf der Zunge, immer wieder hielt er das Telefon mit der bereits getippten Nummer in der Hand. Sieben Jahre hatten sie gemeinsam verbracht, davon waren die ersten zwei verzückend, die nächsten drei machten wahnsinnig Spaß und vergingen wie im Flug. Dann allerdings, dann kamen die weniger schönen Jahre. Ihre Aufmerksamkeit für ihn ließ nach, ihr Interesse an Gemeinsamkeiten sowieso und das Zuhören fiel ihr zusehends schwerer. Irgendwann, es muss im Herbst gewesen sein, kam Chris unverhofft früher von einer Messe nach Hause und erwischte sie sogar – ganz filmreif und ziemlich banal – mit einem flüchtigen Baraufriss vom Wochenende bei billigem Paket-Wein und langweiligen Teelichtern auf dem Kunststoff-Teppich im Wohnzimmer. Beide hatten versucht zu retten, was zu retten war, doch selbst das viele Geld das er mittlerweile über Nacht zu verdienen schien, konnte ihm das Glück nicht zurückkaufen, alle Versuche von Freunden und Familie scheiterten meistens an einfachsten Diskussionen, wobei es Lina nie besonders schwer fiel, trotzdem noch ausgiebig Gebrauch von Chris’ Kreditkarten zu machen. Aber an diesem Abend sollte sich endlich alles ändern …


Kapitel IV, Ray

Chris fuhr noch schnell hinaus auf die Driving-Range um ein paar Bälle zu schlagen. Das ging nicht gut, sein Slice war wieder einmal von einem anderen Stern. Wie immer, wenn er im Kopf beschäftigt nach den Bällen schlug. Heute waren die Rechtskurven besonders eng, mehr als einmal musste er – eine Peinlichkeit auf der Range – lauthals “Fore!” rufen, um einen Golflehrer mit seiner Klasse vor dem heran zischenden Geschoss zu warnen. Chris gab früh auf, es hatte und machte keinen Sinn. Die Spannung in ihm, die Vorfreude auf das Gespräch mit Lina, vor dem er auch in gewisser Weise etwas Bammel hatte, überspülte die Kapazität seiner Synapsen. Zudem musste er dringend aufs Klo.

Zurück in der Wohnung besann er sich auf alte Grundregeln der Gesprächsführung. Dazu gehört ja auch, dass man sich für ein wichtiges Gespräch – und dieses würde wichtig werden! – korrekt kleidet. Auch wollte er Lina gleich von Anfang an alle Möglichkeiten rauben, an seinen Klamotten rumzukritteln, wie sie das sonst immer gleich beim Anblick seiner Person tat. Ein schickes Sakko von Hugo Boss, kombiniert mit Levis Bootcuts, seinen geliebten Cowboystiefeln und einem blütenweißen Hemd mit Rüschen auf der Knopfleiste und an den Manschetten schienen ihm für den Anlass gediegen. Chris polierte die Schnalle am Schlangenledergurt nach und fühlte sich bereit.

Während er sich im Spiegel an der Schranktür im Schlafzimmer noch ein letztes Mal betrachtete bevor er quer durch die Stadt zu ihr hinaus fahren würde, übte er sotto voce noch einmal den Gesprächseinstieg, der ja über Sein oder Nichtsein entscheiden würde: “Hallo …” würde er fast murmelnd, aber mit starrem Blick in ihre Augen eröffnen, “Auf der Herfahrt ist mir aufgefallen, dass bei ALDI die togolesischen Knorzwurzeln im Angebot sind …”

Chris ging hinunter, schwang sich über die Fahrertür in sein 58er Corvette Cabriolet, zog die Pudelmütze, die da auf dem Beifahrersitz lag auf – und fuhr los.


Kapitel V. Lila.

Lina stolperte über liegen gebliebene Schuhe, fluchte leise und sah wie der Zeiger der Uhr langsam vorwärts kroch. Sie fror, trotz der aufgedrehten Heizung, rieb ihre Füße an den Waden warm. Einen Fuß nach dem anderen. Noch dreitausend Sekunden, oder ein paar Herzschläge lang, bis er an der Tür klingeln würde.

„Wohin geht die Zeit wenn sie geht und wohin die Liebe …?“ Hatte sie ihn mal gefragt, damals. Sie waren zusammen ans Meer gefahren, hatten sein Auto voll getankt und waren einfach losgefahren. “Vielleicht reicht eine Tankfüllung bis ans große Wasser”, hatte er gesagt. Sie liebte seine Stimme, jeder musste dieses Timbre lieben, diese Art wie er die Worte in die Länge zog bevor er sie fliegen ließ. Es war Sommer und Lina hatte mehr Sommersprossen im Gesicht, als es Sterne gab. Und sie fragte sich wie es sich anfühlte wenn er sie zählen würde, jede Sternensprosse mit dem Finger berühren würde?

Sie standen zusammen am Ufer, am anderen Ende war nichts, gruben die Füße in den warmen Sand. Liesen den Sand durch die Füße rieseln wie durch eine Sanduhr. Lina wollte ihre Finger in seine Hand schieben, so leise dass er es nicht spürte, wollte fühlen wo er anfing und wo sie endete.

Die Leichtigkeit ist nicht fassbar wenn sie da ist, die Freiheit auch nicht. Aber Lina spürte die Wärme, die von ihm ausging.

Bevor sie vor über sieben Jahren zusammen ins eisige Wasser rannten.

“… wohin geht die Liebe, wenn sie geht?”

Sie stand noch immer da, in der kalten Küche, während der Zeiger der Uhr sich langsam vorwärts bewegte. Klick. Klack. Klick.

Sein Anruf hatte sie aus ihrer geborgten Zufriedenheit gerissen, noch eine halbe Stunde und sie war noch immer nicht sicher, ob sie ihn wirklich sehen wollte:

Ihr Handy lag ein Atemzug von ihr entfernt auf dem Küchentisch. “Komm nicht. Bin nicht zuhause. Entschuldige …” Könnte sie in die Tastatur tippen, das sms abschicken und still ihre Gedankenreise ans Meer weiter führen. Feigling!?

Sie goss sich unruhig ein Glas Wasser ein, als sie die Türklingel hörte …

PinkMoritz? Sie lachte bei dem Gedanken daran, dass er ihr kürzlich versicherte: “Baby. Es gibt für jedes komplizierte Problem im Leben eine einfache Lösung. Wenn es auch nur eine Voodoopuppe ist …”


Kapitel VI. nedganzbachert

Lina hatte es immer wieder geschafft, ihn mit ihren Einwürfen aus der Fassung zu bringen.

So gut er sich vorher auch überlegt hatte, was er ihr sagen würde, wie sorgfältig er auch versuchte, sich zu erklären, so sehr kam er ins Trudeln, wenn sie eine unerwartete Frage stellte.

In seinen gedachten Zwiegesprächen sagte sie stets etwas erwartetes und er hatte sich eine passende Antwort zurecht gelegt – nein, hunderte – für jede mögliche Wendung des Gesprächs.

Doch die echte Lina fand immer wieder eine Lücke in seinem sorgfältig gewebten Teppich, so dass dieser nach ihren Gesprächen wie ein altes Fischernetz wirkte.


Ein Hupen zeriss seine Gedanken. Der Fahrer eines roten Polo wollte nicht länger an einer grünen Ampel warten und gestikulierte wild.
Wie peinlich, er wollte nicht hören, was dieser ihm zu sagen hatte.
Zügig aber ohne quietschende Reifen fuhr er an. Er ließ sonst gerne etwas Gummi auf dem Asphalt, verzichtete in dieser Situation jedoch lieber auf zusätzliche Aufmerksamkeit. Mit Genugtuung sah er den Polo in die nächste Querstraße abbiegen.


Wie schaffte sie es jedes Mal aufs Neue, seine Gedanken einzufangen? Er, der immer stolz auf seine Freiheit gewesen war.
Sobald er gesehen hatte, dass jemand ein Gatter um ihn bauen wollte, war er mit geblähten Nüstern davon galoppiert. Und immer wieder hatte sich eine Frau gefunden, die von seinem Temperament angetan war – und sich der Illusion hingab, ihn zähmen zu können.

Lina hatte nie verbal seinen Hals getätschelt, wie es die anderen getan hatten. Sie drehte im einfach den Rücken zu. Warum ließ er sie nicht stehen? Wieso ließ er sich mit diesem Pferdeflüsterer-Hokus-Pokus einfangen?

Ihr Gatter stand offen, doch er machte keine Anstalten sich daraus zu entfernen. In ihrer Nähe fühlte er sich mehr wie ein Hund und weniger wie ein Hengst.


Mist! Er stieg in die Bremsen aber es war zu spät. Er war an der Ausfahrt der Stadtautobahn vorbei gefahren. Jetzt musste er einen Umweg von vier Kilometern in Kauf nehmen. Ein kontrollierender Blick versicherte ihm, dass dieses Mal wenigsten niemand die Peinlichkeit zur Kenntnis genommen zu haben schien.
Er lag gut in der Zeit, so dass er sich entschied, bei nächster Gelegenheit rechts ran zu fahren, um sich zu beruhigen. Geistesabwesend fingerten seine Hände nach der Brusttasche seines Hemdes, bis ihm einfiel, dass er sich vor vier Wochen das Rauchen abgewöhnt hatte.

Tief ein- und ausatmen!

Nein, er würde sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Bei diesem Gespräch würde er die Regie führen.

Hallo …, Auf der Herfahrt ist mir aufgefallen, dass bei ALDI die togolesischen Knorzwurzeln im Angebot sind …“

Jetzt klang es auch in seinen Ohren aufgesetzt. Er sah förmlich, wie sie ihre linke Augenbraue nach oben zog.

Er würde nur „Hallo!“ sagen und sie freundschaftlich auf beide Wangen küssen.
Dann würde er abwarten. Sie konnte mit Stille nur gut umgehen, wenn sie diese selbst einleitete.
Ja, das schien ihm schlüssig und so verzichtete er auf eine Pause. Er wusste, dass sie Wert auf Pünktlichkeit legte.

Hätte er statt der togolesischen Knorzwurzeln nicht doch besser Blumen oder eine Flasche Bardolino besorgen sollen? Der Italiener beim Hauptbahnhof führte den Wein, den sie damals am Meer so gerne getrunken hatten. Nun, jetzt war es zu spät.

15 Minuten später fand er einen Parkplatz nur 50 Meter von ihrer Wohnung entfernt.
Bei ihr brannte Licht. Fast war er davon überrascht …

Er zog die Pudelmütze vom Kopf, ließ sie achtlos auf den Beifahrersitz fallen und strich sich mit den Fingern durch die Haare, während er einen kurzen Blick in den Rückspiegel warf.
Gerne hätte er noch ein paar Minuten in seinem Wagen gewartet, aber seine Blase drückte schon wieder.


(Bei Arsfendi ist die Fortsetzung zu lesen und bei tshalina wird nach dem 20. Dezember die vollständige Geschichte zu finden sein)

18 Antworten zu “Endless Story

  1. Gut um die Klippen gesegelt Kapitän :-).
    (Wenn jetzt jeder das Zusammentreffen der beiden klassisch umgeht, könnte es wirklich eine never ending story werden 😉 )

    Bin gespannt wie arsfendi weiter macht.

  2. Ich hätte ihn ja gerne auf sie treffen lassen, aber er musste doch zuerst zu ihr kommen. Und ohne die Gedanken, die ihm bei der Fahrt durch den Kopf gehen, wäre es doch unplausibel. 😉
    Zudem haben wir noch über zwei Wochen Zeit.

  3. Schön so eine Endlosgeschichte mit verschiedenen Kommentaren. Könnte man eine Seifenoper draus machen.
    Allerdings sind zwei Wochen noch viel Zeit, um ein erstes Aufeinandertreffen in die Länge zu ziehen, zumal er ja schon mit voller Blase vor der Tür steht 🙂 – da finde ich es nicht so prickelnd, gleich bei Eintreffen ins WC zu rennen.. – bin gespannt, wie’s weitergeht..

  4. Oh, ich hab die zwei dann auch noch ein wenig warten lassen. Das Aufeinandertreffen folgt schon noch früh genug.;-)))
    mal sehen ob Frau Paradalis Mitleid hat und die Beiden endlich zusammenbringt.;-)

  5. @ronja: wem sagst Du das. Ich habe auch versucht, Chris dazu zu bringen, es sich noch etwas zu verkneifen, aber es hat wohl zu sehr gedrückt.
    Gut dass ich eine gute Blase habe.

  6. Liebste arsfendi!
    Sie sind doch wohl nicht schon durch?
    Was hab ich gekämpft für die paar Zeilen …

  7. Ja ja ich weiß und jetzt drückt die Blase.;-))))
    Aber darin sind Frauen ja bekanntlich gut, um Männer zappeln zu lassen. *lach

  8. „Paar Zeilen“? Das nenne ich Understatement.. 😉 Bin auch gespannt, wie es weitergeht – jetzt scheint es ja entgegen meiner Absichten doch noch romantisch werden zu können..

  9. Die Zeit arbeitet für die Romantik, wenn wie jetzt noch eine Weile um das Gespräch herumeiern (schließlich muss er ja noch auf die Toilette – wer weiß, was da alles passieren kann) ist diese blaue … ähm, wie hieß der noch?
    Vergessen!

    /edit 20:23/
    Aber das Rüschenhemd mit den Cowboystiefeln könnte uns noch richtig die Stimmung verhageln!

  10. Sorry, eine kleine Änderung!
    Da Frau Paradalis im Moment etwas unter Zeitdruck steht und den Schreibtisch voller Arbeit liegen hat, habe ich ein Einsehen und gebe mein Stöckchen an die liebe Frau Skriptum weiter.
    Frau Paradalis hätte eh an Frau S. weitergegeben und hat mich gebeten sie zu überspringen.

  11. Schade, dass paradalis ausfällt.
    paradalis + skriptum wäre mir lieber gewesen als skriptum ohne paradalis 🙂

  12. Wie bitte?

    Darf ich mir kurz eine kleine Entrüstung gönnen, Herr NGB?

    Danke!

    Aber verstehen kann ich’s. Geht mir auch so ;o)

  13. Guten Morgen Ihr Lieben.
    Stimmt, seid nicht verärgert, ich habe derzeit wirklich ziemlichen Stress.
    Vielleicht beim nächsten Mal. Ja?
    Umärmelung für Alle!
    🙂

    Herzlichst und so.
    H.

  14. Liebste Skriptum,
    kein Grund zur Entrüstung!
    paradalis+skriptum ist mir auch lieber als paradalis ohne skriptum. Ich verzichte eben nicht gern.
    Aber natürlich gönne ich Ihnen Alles!

    Verehrte Frau paradalis,
    wie könnte ich Ihnen böse sein. Keinen Moment zweifle ich an der Lauterheit Ihrer Absichten und der Ernsthaftigkeit Ihrer Gründe.
    Ihr ngb

  15. und? wer schreibt denn jetzt die Geschichte weiter? arsfendi hatte doch das Stöckchen und ich vermisse die Fortsetzung… Bin etwas verwirrt, habe ich was verpasst?

  16. Sie hat doch schon fortgesetzt. Du findest es hier

  17. Ach, Ihr seid goldig, alle. Esst niemals togolesische Knorzwurzeln! 😉

  18. Ach das ist zum Essen? Ich dachte man macht daraus einen Wurzelbrand.

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