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Was sah sie?

Was sah Sie, wenn Sie mich betrachtete?
Sie, eine Frau, die sich nach eigenem Bekunden nie bemühen musste, einen Mann kennen zu lernen. Und ich hatte nie Zweifel daran, dass dies der Wahrheit entsprach.
Langes, glattes, schwarzes Haar mit diesem bläulichen Schimmer um den Haaransatz umfloss ihr ovales jugendliches Gesicht, dem die feinen Fältchen der Jahre nichts anhaben konnten sondern nur den Charme der Reife verliehen. Ich hätte schwören können, dass ich schon immer auf lange, glatte, schwarze Haare gestanden hatte.
In der Iris ihrer hellen Augen strahlte ein grüner Stern und ihre Zähne weckten den Wunsch ein Apfel zu sein.
Wenn ich sie betrachtete wuchs in mir das Bedürfnis, ihre Silhouette in Tusche nachzuzeichnen, wohlwissend dass ich danach enttäuscht gewesen wäre. Vor allem jedoch konnten wir stundenlang zusammen reden, spazieren gehen, Konzerte oder Museen besuchen.
So ähnlich unsere Interessen waren, so unterschiedlich waren wir.
Noch mehr unterschied ich mich von den vielen Männern, mit denen sie vor mir zusammen war. Coole Typen, Motorradfahrer oder Musiker, „Männer von Welt“ oder Abenteurer.
Ich beneidete diese Männer nicht.
Ich wollte nicht sein wie sie.
Ich war im Großen und Ganzen zufrieden mit mir.
Dennoch fragte ich mich irgendwann, was ihr an mir gefiel.
War es meine Gelassenheit, wenn sie mir ihren Ärger an den Kopf warf? Meine Veranlagung, wieder auf sie zuzugehen, wenn ihre Wut verraucht war? Mein Beistand, den ich ihr auch gewährte, wenn sie mich kurz davor aus ihrer Wohnung geworfen hatte? Meine Fähigkeit, mich mit all ihren Freunden anfreunden zu können? Meine Balance sie ernst zu nehmen, wenn sie es selbst nicht konnte und sie reden zu lassen, wenn ihr die Pferde durchgingen? Meine Begabung, sie auf Gefühle ansprechen zu können, die sie sich selbst noch nicht eingestehen wollte? Mein Interesse an ihren Hobbies und ihrem Leben? Meine nicht wertende Aufmerksamkeit, wenn sie aus ihrem bewegten Leben erzählte?
Sie hatte es mir nie gesagt. Ob sie es selbst wusste?
Es gefiel ihr, wenn ich ihre Haare mit schwarzem Henna färbte. Sie zeigte es mir nicht und hatte oft etwas auszusetzen. Mal trug ich zu viel auf, mal zu wenig, mal hatte ich es zu trocken angesetzt, ein anderes Mal tropfte es ihr zu sehr – oder ich brauchte einfach zu lange – aber immer wieder „bat“ sie mich darum.
„Wir müssen mal wieder Haare färben.“
Mir gefiel ihre unbeholfene Art zu fragen.
Trotzdem gab sie mir oft das Gefühl, dass sie etwas vermisste.

Heute telefonieren wir regelmäßig, obwohl sie mir erzählt hatte, dass sie nach dem Ende einer Beziehung jeglichen Kontakt abbräche.
Was sah sie?
Ich frage sie nicht.
Sie würde es nicht sagen.

Concepción

Du warst die neue Praktikantin
Und wir in gespannter Erwartung
Vom ersten Tag an eine Hilfe
Schon am ersten Tag verwirrend

Deine schwarzen Augen zogen mir die Beine weg
Und ich merkte, dass ich auch fliegen kann
Du hast Einfaches an mir bewundert
Ich habe Dich einfach bewundert

Dein Feuer fesselte mich
Und ließ mich mein Feuer entdecken
Dein Atem nahm mir den Atem
Dein Blick ließ meine Augen erblinden

Acht Wochen wie eine Illusion
Und der Abschied war kurz
Ich habe noch heute Deine Adresse
Doch es ist nicht mehr Deine

Heute hast Du Geburtstag
Und Du wirst mich nicht lesen
Das Internet kennt Deinen Namen nicht
Doch ich werde ihn nicht vergessen

Wie Mann … kommuniziert

Er war vor gut 30 Jahren in meiner Parallelklasse. Cooler Typ, immer von Mädchen umgeben. Mädchen, die mich damals nicht interessierten. Zumindest habe ich mir das immer selbst so plausibel machen können, dass ich heute nicht das Gegenteil behaupten kann.
Er gehörte nicht zu denen, die mich ärgerten, er ignorierte mich nur.

Als er mich herein kommen sieht, ruft er. „Hallo ngb! Was machst Du hier?“ Seine Umarmung riecht nach „Cool Water“ und Whisky.
Ich überlege angestrengt, wie er heißt, kann meine Ratlosigkeit jedoch überspielen. Sein Anzug wirkt teuer, so weit ich das beurteilen kann, ist aber mitgenommen. Kravatte auf Halbmast, Hemd halb offen und etwas verschwitzt. „Schön, Dich mal wieder zu sehen! Hab‘ letztens Deinen Bruder gefragt, wo Du eigentlich steckst.“ sagt er mit signifikanten Artikulationsproblemen. Trotzdem wirkt er nicht abstoßend. Sehe ich echte Freude in seinen Augen?

„Du siehst nicht gut aus.“ bemerke ich und er beginnt zu lachen. „Hast Du heute mal in den Spiegel gesehen?“ fragt er und winkt dem Typen hinter des Theke, der – glaube ich – auch aus meinem Jahrgang stammt, aber ziemlich verlebt aussieht. Von seiner „Rockermähne“ ist noch ein halber Kranz verblieben, der ihm strähnig am Kopf klebt. „Hey Peter, schau mal wer da ist! Zwei GlenMorangie! Aber nicht so sparsam eingeschenkt, wie der letzte!“

Thomas, richtig, Thomas heißt er.

„Na Thomas, Du hast Deine Jeansjacke gegen ein Jacket getauscht?“

„Tja, kann ja schlecht mit T-Shirt in der Bank auftauchen …“ lacht er bitter,
„Aber Du läufst immer noch im Winter mit kurzen Hemden rum …“

Kein Thema über das ich jetzt diskutieren will, weshalb ich es ignoriere.

Als unsere Whiskys kommen verstummt er. Er blickt in sein Glas, als ob es mit ihm reden würde. Plötzlich sieht er auf. „Kennst Du Christine noch?“ Ich überlege. „Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich an die wenigsten aus der Schule erinnern.“

„Kann ich verstehen. War nicht immer einfach für Dich.“

Als er wieder schweigt, hake ich nach: „War sie bei Dir in der Klasse?“

„Nein, bei Dir. Ist eine Zeit mit Günther gegangen.“

„Der große hagere?“

Thomas lacht trocken: „Ja, the Giant! … Ich bin mit ihr verheiratet. … noch …“
Er legt mir seinen Arm um die Schulter und hält mir sein Glas hin.

Als wir angestoßen haben, stößt er mir freundschaftlich in die Rippen und sagt: „Du verstehst mich …“